Vorwort von Thomas Raukamp (AmigaPlus)

------------------------------------------------------------ Schande über mein Haupt! Als das CD32 das Licht der Welt erblickte, war ich fest im Atari-Lager verwurzelt. Das Unternehmen aus Sunnyvale, damals noch Lieblingsfeind von Commodore, schickte sich gerade an, mit dem Jaguar eine Konsole zu kreieren, die Atari endlich wieder zu dem machen sollte, was es jahrelang war: Der beste und innovativste Konsolenhersteller der Welt. Und die Voraussetzungen waren gut: Überlegene 64-Bit-Technologie, CD-Sound, Echtfarben und nicht zuletzt ein ansprechendes Äußeres. Das CD32 entlockte mir als Atari-Hardcore-Fan eher ein müdes Lächeln: Vergleichsweise wenig Power, eine schon bekannte Grafik, CD-Sound nur dann, wenn er auch von CD abgespielt wurde. Und das Äußere spottete jeder Beschreibung: Ein Kassettenrekorder aus der damaligen DDR hätte im direkten Vergleich ohne weiteres einen Design-Wettberwerb gewinnen können. Doch in meiner Engstirnigkeit hatte ich ein entscheidendes Detail übersehen: Während der Jaguar nicht zuletzt daran scheiterte, dass Spielehersteller teure Module herstellen lassen mussten, kam das CD32 mit einem CD-Laufwerk daher, dass Herstellern die Möglichkeit gab, bestehende Titel ohne großen Aufwand umsetzen zu können. Das CD32 war also vom Start weg mit recht guten Spielen gesegnet, während für den Jaguar erst entwickelt werden musste. Hinzu kam, dass Neuentwicklungen ohne großen Aufwand auch am Amiga 1200 und 4000 nutzbar waren. Amiga-Fans profitierten also ganz direkt vom CD32, während Atarianer von der legendären MicroBox, einer Symbiose aus Falcon und Jaguar, vergeblich träumten. Doch der Kreis schloss sich nur allzu schnell: Während Atari aus eigener Arroganz heraus den europäischen Markt vernachlässigte, konnte Commodore nicht mehr genug CD32 produzieren, um sich selbst zu retten. Im Nachhinein wäre mir ein Kampf "CD32 gegen Jaguar" sehr viel lieber gewesen als der Kampf "Playstation gegen N64" - die Voraussetzungen wären ähnlich gewesen: Praktische Nutzbarkeit und Spieleflut gegen überlegene, aber teure Technik. Wie dem auch immer sei: Wie so oft in diesen Märkten, können wir nur erahnen, wie dieser Kampf geendet wäre. Realität ist, dass das CD32 bei mir fast im täglichen Gebrauch als Audio-CD-Player für die Redaktion ist. Der Jaguar wird nur dann herausgeholt, wenn man sich selbst einmal wieder beweisen will, dass die damalige Begeisterung nicht grundlos war. Und zu noch etwas habe ich das CD32 lange Zeit genutzt: Einige Jahre vor der amigaOS/Amiga plus rüstete ich Supermärkte mit POI-Terminals aus - diese basierten auf einem - na, was wohl? - CD32. Gut, sicher, portabel. In diesem Sinne wünsche ich dem hässlichsten DDR-Kassettenrekorder der Welt, aber dem besten CD-Player aller Zeiten, noch ein langes Leben. Thomas Raukamp
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